Turmhaube aus Nagelplattenbinder-Konstruktion
Neue Dachkonstruktion für Wohnhaus in Leipzig
1898 im spitzen Winkel zwischen zwei Straßen errichtet, gehört das fünfgeschossige Wohnhaus am Lindenauer Markt in Leipzig bis heute zu den markantesten Gebäuden am Platz. Nachdem das denkmalgeschützte Eckhaus in der Vergangenheit nur notdürftig instandgehalten und die historische Turmhaube schon Ende der 60er Jahre aus Sicherheitsgründen demontiert worden war, zog der neue Eigentümer 2014 den Schlussstrich unter ein langes Kapitel der Vernachlässigung und entschloss sich zu einer behutsamen Sanierung.
Eigentümer und Stadt ziehen an einem Strang
Heute erstrahlt die einst aufwendig gestaltete Gründerzeitfassade in neuem Glanz. Und der Bauherr beschloss, noch mehr zu tun, als die Auflagen des Denkmalschutzes verlangten: Die historische Turmhaube, die die Gebäudefront an der Marktseite ursprünglich bekrönte, sollte nach historischen Plänen rekonstruiert werden. Ein Projekt, das die Stadt Leipzig so sehr begeisterte, dass sie sich mit immerhin 50 Prozent der Baukosten beteiligte.
„Das Eckhaus bildet vor Ort die wichtigste städtebauliche Raumkante“, erklärt Projektleiter Harald Hingst vom Leipziger Büro der LINK Architekten. „Die Turmhaube prägt deshalb das Erscheinungsbild des ganzen Marktes.“ Mit der Konstruktion der Dachhaube beauftragten die LINK Architekten den Dachbauspezialisten SCHNOOR. „Wir kennen das Unternehmen seit Jahren und schätzen die gute Zusammenarbeit“, so Büroleiter Hingst.
Viele Ovale und Rundungen – wirtschaftlich mit Nagelplattenbindern
Gefertigt wurde der in der Grundfläche 3,5 x 3,5 Meter große und 3 Meter hohe Grundkörper der Dachhaube im SCHNOOR-Werk in Burg bei Magdeburg. Das komplette Tragwerk besteht aus Nagelplattenbindern. Denn der gewölbte Haubenkörper hat es vor allem geometrisch in sich: „Was von außen rund erscheint, ist im Innern durch viele elliptische, d. h. ovale, Elemente aufgebaut“, erzählt SCHNOOR-Geschäftsführer Frank Wolf. „Das lässt sich nur mit Nagelplattenbindern schnell und wirtschaftlich realisieren.“ Zur Dachkonstruktion gehören außerdem eine dachseitige Zugangsklappe und eine platzseitige Gaube, die mit einem kleinen ovalen Fenster, einem sogenannten Ochsenauge geschlossen wird. Durch sie können Handwerker bei künftigen Instandhaltungsmaßnahmen ins Haubeninnere gelangen.
Mit dem Sondertransport nach Leipzig
Am 10. Dezember 2014 war es dann soweit: Der komplett vorgefertigte Grundkörper ging in einem Stück auf die Reise und gelangte per Sondertransport pünktlich auf die Baustelle nach Leipzig. Hier traf die moderne Konstruktion auf historische Gewerke. Der Altenburger Dachdeckerservice Harnisch übernahm die Schiefer-Schablonen-Deckung nach historischem Vorbild. Der Blechdrücker legte die Verkleidung des Ochsenauges an, eine geschwungene Hohlform, die aus einem Zinkblech gebogen bzw. „gedrückt“ ist. Sache des Schlossers war schließlich die Schmuckspitze, die mit ihrer im Durchmesser 70 Zentimeter starken Metallkugel ein stattliches Gewicht auf die Haube bringt. An ihrer Spitze leuchtet ein vergoldeter Tulpenstrauß.
Der finale Hub: Alles passt perfekt
Kein Wunder, dass viele Schaulustige den Lindenauer Markt bevölkerten, als schließlich der finale Hub begann. Unter den Blicken staunender Passanten zog ein riesiger Kran die 2,8 Tonnen schwere Turmhaube auf rund 18 Meter Höhe und manövrierte sie zu ihrem angestammten Platz auf dem historischen Dachstuhl. Nach über 50 Jahren kehrte das Wahrzeichen des Lindenauer Marktes endlich zurück. Bauherr und Architekten sind jedenfalls sehr zufrieden. „SCHNOOR hat eine sehr solide Konstruktion gefertigt“, freut sich Büroleiter Hingst. „Und es hat alles genau gepasst.“