Modern im historischen Ensemble: Neues Dach auf altem Gutshof

Der ehemalige Kuhstall von Schloss Brandenstein im Jerichower Land wird zu einem Wohn- und Veranstaltungsraum umgebaut. Die neue Dachkonstruktion nach historischem Vorbild kommt von Schnoor.

Schon von weitem zieht das hell verputzte Herrenhaus die Blicke von Besuchern auf sich. Gleich daneben ein Ensemble historischer Bruch- und Ziegelsteinbauten aus dem 19. Jahrhundert, der ehemalige Wirtschaftshof des Gutes. Auf diesem weitläufigen Areal zwischen Feldern und Wäldern ist seine Familie schon seit 500 Jahren zu Hause, erzählt Allard von Arnim. Nach der Wende kauften die von Arnims den alten Familiensitz nebst zugehörigem Forst zurück und erfüllen die historischen Gebäude seither mit neuem Leben. Jetzt soll auch der ehemalige Kuhstall aus seinem Dornröschenschlaf erwachen. Der erste Schritt: Ein Erweiterungsbau soll das historische Wirtschaftsgebäude an das zu DDR-Zeiten errichtete Heizhaus heranführen und das Gebäude damit in seiner historischen Originalgröße wiedererstehen lassen – gefördert durch ELER-Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums. Der neue Dachstuhl für Neubau und Heizhaus soll dabei an Stil und Optik des historischen Bestandes anknüpfen. Ein klarer Fall für Holzbauspezialist Schnoor, den Bauherr von Arnim für die Dachkonstruktion ins Boot holte.

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Der Erweiterungsbau schließt die Lücke zwischen verbliebenem Stallgebäudeteil und dem später errichteten Heizhaus – mit neuer Dachkonstruktion von Schnoor.

Präzise Maße

Dreimal hat Christian Buch zwischen Strohballen, Bruchsteinmauerwerk und der alten Holzdecke das Aufmaß des historischen Dachstuhls genommen und sich bis in die kleinsten Winkel der Abbundkonstruktion vorgearbeitet. Mit modernen Nagelplattenbinderkonstruktionen lassen sich praktische beliebige Bindergeometrien realisieren, erklärt der Schnoor-Konstrukteur und ergänzt verschmitzt: „Aber man braucht die präzisen Maße“. Bei Baumaßen in historischen Gebäuden gebe es oft große Abweichungen, weiß Buch. Aus den verschiedenen Aufmaßen hat er am Ende eine Binderkonstruktion berechnet, die möglichst viele Abweichungen auffängt. „Das ist immer unser Grundprinzip, dass wir eine Binderfigur entwickeln und dann alle oder möglichst viele Binder auf diesem Profil aufbauen können“, so der Schnoor-Spezialist. Dadurch werde die Konstruktion so wirtschaftlich.

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Nagelplattenbinderkonstruktion mit einer Binderfigur, auf der möglichst viele Binder aufbauen – so wird die Dachkonstruktion wirtschaftlich.

Ein Dach in der Luft

Eine weitere Besonderheit: Schnoor entwickelte die neue Dachkonstruktion, bevor der Erweiterungsbau realisiert war. „Wir haben das Dach quasi in der Luft geplant“ erklärt Buch. „Das geht nur mit viel Können und Erfahrung“. So war es diesmal der Dachbauspezialist, der im Projekt die Daten der Dachkonstruktion an den Maurer weitergab, damit der später beim Erweiterungsbau die nötigen Dachauflagen und -anschlüsse ans Mauerwerk einplanen konnte.

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Hinten Abbund, vorne Nagelplatte: Die neue Dachkonstruktion schließt sich nahtlos an die bestehende Abbundkonstruktion an – von innen …

… und von außen.

„Die Kunst, Alt und Neu passgenau zu kriegen“

Das erweiterte Stallgebäude sollte sich baulich an das bestehende Heizhaus anschließen – und auch hier war die Erfahrung des Dachbauspezialisten gefragt. Die Krux: Die neue Dachkonstruktion von Schnoor muss den rechteckigen Langbau der Scheune und den quadratischen Grundriss des Heizhauses in eine Dachkonstruktion integrieren. „Es ist immer eine Kunst, die Flächen von Alt und Neu passgenau zu kriegen“, so Buch. Aber mit Schnoors konstruktivem Know-how und dem Schleppdach, das ein Zimmereiunternehmen zulieferte, erscheint die Dachfläche nun wie aus einem Guss.

Ein Dach für zwei Grundrisse: Mit viel konstruktivem Know-how und einem speziellen Schleppdach konnte auch das Heizhaus in die Dachkonstruktion integriert werden.

Sicher verbunden – optimal geteilt

Das Finale auf der Baustelle: Da die Dachgebinde mit ihrer stattlichen Höhe von 5,50 Metern die zulässige Höhe für Lkw-Transporte überschritten hätten, konnten sie nicht in einem Stück auf die Baustelle geliefert werden. Sie mussten stattdessen in Gebinde-Elemente geteilt werden, die auf der Baustelle wieder zusammengesetzt werden konnten. Dazu Buch: „In solchen Fällen achten wir immer darauf, dass wir möglichst wenig Verbindungsstellen brauchen, damit die Montage vor Ort schnell, sicher und ohne großen Aufwand möglich ist“. Auch für die Aussteifung der Dachkonstruktion mit den insgesamt 60 Gebinden hat sich Schnoor etwas Besonderes einfallen lassen. Denn spezielle Aussteifungsverbände verstärken die Dachkonstruktion an den statisch relevanten Punkten. Hier hat der Holzbauspezialist jeweils drei Binder mit speziellen Gitterträgern zu hochsteifen Gebinden gekoppelt. „Die kann man so hinstellen und sie bleiben stehen“, freut sich Buch. Sie machen die Dachkonstruktion extrem stabil.

„Die kann man so hinstellen und sie bleiben stehen“ – die Aussteifungsverbände von Schnoor.

Raum für Hochkaräter

2020 soll nun unterm Dach des früheren Wirtschaftsgebäudes einerseits moderner Wohnraum entstehen. Aber als Ortsbürgermeister von Brandenstein-Krüssau hat von Arnim auch immer die Gemeinde im Visier: Ein multifunktionaler Veranstaltungsraum im Gebäude, getragen von einem Verein, soll den rund den 160 Einwohnern hier künftig als neuer Dorfgemeinschaftsraum für sportliche und kulturelle Angebote zur Verfügung stehen. „Die freuen sich drauf“, weiß von Arnim. Und damit nicht genug: Mit einem hochkarätigen Veranstaltungsprogramm – Konzerte, Ausstellungen und Gesprächsformate  – will der Politiker auch ein überregionales Publikum in den kleinen Ort locken. Schon jetzt, so erzählt von Arnim, ziehen die politischen Kamingespräche auf Schloss Brandenstein seit vielen Jahren Politikprominenz ins ansonsten eher beschauliche Jerichower Land. Und er lächelt: „Als Ortsbürgermeister auf dem Land muss man sich was einfallen lassen.“

 Gute Zusammenarbeit

Unterdessen glänzt auf dem neuen Dachstuhl schon der rote Biberschwanz, denn auch die Dacheindeckung wurde dem historischen Vorbild nachempfunden. „Es war ein schönes Projekt“, schwärmt Schnoor-Konstrukteur Buch im Rückblick. Und auch Bauherr von Arnim ist sehr zufrieden: „Es ist alles prima gelaufen“.

 

Das Projekt wurde unterstützt aus Mitteln des Europäischen Strukturfonds ELER im Zusammenhang mit dem LEADER-Programm zur Entwicklung der ländlichen Räume – hier der Umsetzung der Entwicklungsstrategie der LAG „Mittlere Elbe – Fläming“.

 

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